Über Bewertungsanlässe
Die Idee zu diesem Beitrag entstand aus einem Gespräch mit einem Klienten. Es handelte sich um einen Arzt, der im Rahmen seines Praxisverkaufs eine Unternehmensbewertung wünschte. Die Besonderheit dieses Falls: Ich riet dem Herrn davon ab.
Der Grund dafür war, dass bereits ein Käufer gefunden worden war und man sich über den Kaufpreis einig geworden war. Die Bewertung, so mein Eindruck, sollte dem Arzt lediglich die Gewissheit verschaffen, dass er sein Lebenswerk nicht unter Wert verkauft. Im Nachhinein wurde mir in diesem Gespräch erneut bewusst, dass Wert und Preis nicht nur auseinander driften können, sondern sich auch nicht direkt miteinander vergleichen lassen – ähnlich wie Kilogramm und Meter.
Ertrag vs. Zweck
Der häufigste Blickwinkel in der Unternehmensbewertung ist die Ertragsanalyse. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob ein Unternehmen in der Lage ist, zukünftig Erträge zu generieren. Wenn man diesen Ansatz auf eine abstraktere Ebene hebt, stellt sich jedoch eine grundlegendere Frage: Kann die Organisation ihren Zweck erfüllen?
Diese Perspektive eröffnet eine andere Sichtweise auf Unternehmen und erlaubt es, alternative Wertbegriffe in Betracht zu ziehen. Definieren wir, was Wert ist, so legen wir zugleich die Prämissen für die betrieblichen Abläufe fest. Indirekt definieren wir damit auch den Prozess, der den angestrebten Wert schaffen soll.
Definieren wir, was Wert ist, so legen wir zugleich die Prämissen für die betrieblichen Abläufe fest.
Die Methoden
Der häufigste Blickwinkel in der Unternehmensbewertung ist die Ertragsanalyse. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob ein Unternehmen in der Lage ist, zukünftig Erträge zu generieren. Wenn man diesen Ansatz auf eine abstraktere Ebene hebt, stellt sich jedoch eine grundlegendere Frage: Kann die Organisation ihren Zweck erfüllen?
Diese Perspektive eröffnet eine andere Sichtweise auf Unternehmen und erlaubt es, alternative Wertbegriffe in Betracht zu ziehen. Definieren wir, was Wert ist, so legen wir zugleich die Prämissen für die betrieblichen Abläufe fest. Indirekt definieren wir damit auch den Prozess, der den angestrebten Wert schaffen soll.
1. Venture-Capital-Methode: Den Exit im Blick
Die Venture-Capital-Methode (VC-Methode) findet vor allem in der Start-up-Finanzierung Anwendung. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie den zukünftigen „Exit“ – also den Verkauf des Unternehmens oder den Börsengang – in den Mittelpunkt stellt. Der Unternehmenswert wird dabei rückwärts vom erwarteten Exit-Wert berechnet.
So funktioniert die Methode:
- Zunächst wird der voraussichtliche Exit-Wert des Unternehmens geschätzt. Dieser basiert häufig auf Branchendaten und Multiplikatoren wie dem Umsatz oder EBITDA.
- Anschließend wird dieser Wert mit der Zielrendite der Investoren (z. B. 20–30 % jährlich) diskontiert, um den heutigen Unternehmenswert zu ermitteln.
Relevanz:
Die VC-Methode eignet sich insbesondere für junge, wachstumsorientierte Unternehmen, die noch keine stabilen Erträge oder Gewinne vorweisen können. Sie bietet Investoren eine klare Grundlage, um das Risiko und die potenzielle Rendite ihrer Beteiligung zu bewerten.
2. Realoptionsansatz: Flexibilität bewerten
Der Realoptionsansatz stammt aus der Finanztheorie und überträgt Konzepte der Optionsbewertung auf die Unternehmensbewertung. Diese Methode ist besonders hilfreich, wenn ein Unternehmen strategische Optionen hat, wie z. B. die Möglichkeit, ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, Projekte auszubauen oder Investitionen zu verschieben.
So funktioniert die Methode:
- Zunächst werden die möglichen Optionen des Unternehmens identifiziert (z. B. Markteintritt, Projektstopp).
- Jede Option wird wie eine Finanzoption bewertet, häufig mit Hilfe des Black-Scholes-Modells oder anderer Optionspreismodelle.
- Der Wert dieser Optionen wird dem Basiswert des Unternehmens (z. B. Substanz- oder Ertragswert) hinzugefügt.
Relevanz:
Diese Methode ist ideal für Unternehmen in dynamischen Branchen, wie der Technologie- oder Pharmaindustrie, wo zukünftige Entscheidungen maßgeblich den Unternehmenswert beeinflussen können.
3. First Chicago Methode: Szenarien gezielt nutzen
Die First Chicago Methode kombiniert Elemente der Szenarioanalyse mit der DCF-Methode. Sie ermöglicht eine differenzierte Bewertung, indem sie den Unternehmenswert aus mehreren Szenarien ermittelt.
So funktioniert die Methode:
- Drei Szenarien werden entwickelt:
o Best Case: Das Unternehmen wächst überdurchschnittlich.
o Worst Case: Das Unternehmen verfehlt seine Ziele.
o Base Case: Das wahrscheinlichste Szenario. - Für jedes Szenario wird der Unternehmenswert berechnet (z. B. mit der DCF-Methode).
- Die Werte werden gewichtet (z. B. Base Case: 50 %, Best Case: 30 %, Worst Case: 20 %) und zu einem Gesamtwert zusammengeführt.
Relevanz:
Die Methode eignet sich hervorragend für Unternehmen mit unsicherer Zukunft, etwa Start-ups, Turnaround-Kandidaten oder Unternehmen in stark schwankenden Märkten.
4. ESG-basierte Bewertung: Nachhaltigkeit im Fokus
Die ESG-basierte Bewertung (Environmental, Social, Governance) ist eine vergleichsweise neue Methode, die nicht-finanzielle Faktoren in die Unternehmensbewertung einbezieht. Dieser Ansatz wird zunehmend relevant, da Investoren, Regierungen und Kunden mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen.
So funktioniert die Methode:
- ESG-Faktoren werden in die Bewertung integriert, z. B.:
- Diese Faktoren fließen in die Cashflow-Planung, Kapitalkosten oder Risikoabschätzungen ein.
- Der Wert wird entsprechend angepasst.
Relevanz:
Die ESG-Bewertung ist besonders relevant für Unternehmen in stark regulierten Branchen oder mit nachhaltigkeitsorientierten Geschäftsmodellen, z. B. in der Energie- oder Konsumgüterindustrie.
5. Intellectual Capital Ansatz: Immaterielle Werte im Fokus
Viele Unternehmen haben ihre größten Vermögenswerte nicht in der unmittelbaren Ertragskraft , sondern in Form von Patenten, Markenrechten oder Mitarbeiterwissen. Der Intellectual Capital Ansatz legt den Schwerpunkt auf diese immateriellen Werte.
So funktioniert die Methode:
- Immaterielle Vermögenswerte werden identifiziert (z. B. Patente, Marken, Know-how).
- Der Wert dieser Assets wird mit spezifischen Bewertungsmethoden geschätzt, wie der Lizenzpreisanalogie (z. B. Lizenzkosten für die Marke) oder Scoring-Modellen.
- Diese Werte werden zum Substanz- oder Ertragswert addiert.
Relevanz:
Die VC-Methode eignet sich insbesondere für junge, wachstumsorientierte Unternehmen, die noch keine stabilen Erträge oder Gewinne vorweisen können. Sie bietet Investoren eine klare Grundlage, um das Risiko und die potenzielle Rendite ihrer Beteiligung zu bewerten.
Kritische Würdigung
In der Unternehmensbewertung gilt der Satz, dass die Methode dem Anlass folgt. Teil meiner Arbeit ist es oftmals auf Standards zurückzugreifen, welche als gerichtsfest gelten. Das ist in der überwiegenden Mehrheit der Fälle der IDW S1, da er die erstattete Unternehmensbewertung überprüfbar macht. Gerade deswegen ist es wichtig, dass der eigene Betriebsbegriff nicht auf die Ertragsflüsse reduziert wird, sondern sich stets ein ganzheitlicher Blick auf die Wertschöpfungskette lohnt. Diese fünf eher unpraktischen Methoden haben diesen Vorteil für mich. Sie eröffnen weitere Betrachtungen. Es fehlt diesen Methoden oftmals an Akzeptanz und Praktikabilität. Besonders wenn sehr umfangreiche Datenmengen herangezogen werden oder Methoden zu sehr von prognostischen Elementen abhängen.
Nachtrag: Der Arzt nahm, meinem Impuls folgend, meine Dienstleistung nicht in Anspruch. Im Gespräch stellten wir fest, dass der vereinbarte Kaufpreis fair war. Eine ländlich gelegene Praxis mit einem stabilen Patientenstamm, der Möglichkeit, die Praxisräume auszubauen, und einer unsicheren zukünftigen Versorgungsinfrastruktur (Stichwort Krankenhausreform) stellen sehr stabile Wertfaktoren dar. Der Preis spiegelte dies in angemessener Weise wider. Eine nachträgliche Bewertung hätte daran nichts geändert. Ich stellte den Kontakt zu einem befreundeten Arzt her, der vor einiger Zeit ebenfalls seine Praxis verkauft hatte.
Die beiden spielen nun Golf zusammen. Ich gönne es ihnen.